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Lagarce, Jean-Luc |
Geboren 1957 in der Region Haute-Saône. Nach dem Abitur beginnt er an der Universität von Besançon mit dem Studium der Philosophie. Parallel zu seinem Universitätsstudium ist er Schauspielschüler am Conservatoire National de Région. Mit Kollegen des Konservatoriums gründet er die Amateurtheatergruppe Théâtre de la Roulotte, benannt nach der ersten Truppe von Jean Vilar. Er beginnt zu inszenieren und eigene Stücke zu schreiben.
1980 schließt er das Philosophiestudium ab. Titel seiner Magisterarbeit: "Theater und Macht in der westlichen Welt". Eine begonnene Doktorarbeit über de Sade schließt er nicht ab, weil er sich dem Schreiben und seiner Theatertruppe widmet, die inzwischen professionell arbeitet.
Zwischen 1991 und 1993 schreibt Jean-Luc Lagarce nicht, nachdem sein Text "Juste la fin du monde" (Einfach das Ende der Welt) großes Unverständnis hervorgerufen hat. Diesen Text, den er während eines Arbeitsaufenthaltes in Berlin verfasst hat, übernimmt er 1995 praktisch in Gänze im dritten Teil seines letzten Textes, "Le pays lointain" (Das ferne Land). Zwei Wochen nach der Fertigstellung dieses Textes stirbt Jean-Luc Lagarce im Alter von 38 Jahren an Aids.
Jean-Luc Lagarce hat sein Leben dem Theater und der zeitgenössischen Dramatik gewidmet. Mit seiner Theatertruppe gründete er den Verlag Les Solitaires Intempestifs, um andere junge Autoren zu fördern. Der Name des Verlages ist Peter Handkes "Über die Dörfer" entlehnt: "Spielt also nicht zur Unzeit die einsamen Menschen (...)".
Schwer krank begleitete Jean-Luc Lagarce noch seine Produktionen auf Tournee. Am Vorabend seines Todes probte er "Lulu".
(Juste la fin du monde)
Deutsch von Uli Menke
3D, 2H
UA: October 1999, Théâtre National de la Colline Paris
DSE: 08.11.2001, Bremer Theater Bremen
Louis, 34 Jahre alt, hat vor Jahren plötzlich und kommentarlos seine Familie verlassen. Er ist durch die Welt gereist. Seine Familie hat jahrelang von ihm nichts gehört und gesehen außer belanglosen Postkarten mit belanglosen Mitteilungen. Nun ist er zurückgekehrt, genauso plötzlich und kommentarlos, wie er damals gegangen ist. Seine überraschende Ankunft versetzt die Familie in größte Aufregung. Seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Antoine gegenüber, der ohnedies immer schon darunter zu leiden hatte, dass die Mutter Louis eindeutig vorzog, genießt er nun auch noch die Vorteile des verlorenen Sohnes. Seine Schwester Suzanne, 23, macht ihn dafür verantwortlich, dass sie noch zu Hause lebt, wo sie sich langweilt und das Gefühl hat, ihr Leben zu verpassen: Nachdem Louis damals gegangen ist, bringt sie es nicht über sich, die Mutter einfach zu verlassen. Antoines Frau, Catherine, sieht er überhaupt zum ersten Mal.
Das Stück zeigt eine komisch quälende Familiensituation, die fast jeder kennt, der jemals nach längerer Abwesenheit heimgekehrt ist. Unter der Oberfläche sorgenden Wohlwollens füreinander hat sich ein Berg an wechselseitigen Vorwürfen, Kränkungen und Aggressionen aufgestaut. Ausführlich wird über Eitelkeiten und Belanglosigkeiten gesprochen in diesem Stück, doch das Wichtigste wird dabei nicht erwähnt: Louis, der offenbar homosexuell ist, wird sterben und er ist zurückgekommen, um seinen "nahen und unheilbaren Tod selbst anzukündigen, sein einziger Bote zu sein."