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Interlunium 1-21

von Anja Hilling
Hörspiel

1H

Atlas ist Architekt. Jemand, der Konturen setzt. Er glaubt an sich selbst. Er lebt in einem Haus, das er selbst entworfen hat. In einer festen Beziehung. Manchmal macht er Ausflüge. Aber er kommt immer zurück. Bis jetzt.
Atlas ist an diesem Abend auf der Zielgeraden. Beharrlich treibt er die Bewerbung seines Büros für eine neue Mall voran. Zu Hause ist schon alles bereit für das große Familienessen mit Kindern, Eltern, Schwiegereltern. Aber plötzlich passiert etwas anderes. Atlas, die Säule, die alles hält, knickt ein unter der unermesslichen Flächenlast. War es ein Unfall mit dem Auto auf dem Heimweg oder die Attacke eines uralten, geheimnisvollen Vogels?
Wo der Architekt vorher mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft Ordnung und Schönheit schafft und aufrechterhält, bringt das Loslassen Chaos und befreienden Rausch. Atlas kehrt nicht nach Hause zurück. Er begegnet Gedanken, Gewalten, Kindern, Göttern und Geliebten. Gestalten, die nichts anderes sind, als ins Gegenlicht geworfene Materie der umrissenen Person. „Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt.“ (Friedrich Nietzsche: Dionysos-Dithyramben)
Text: WDR

Ausstrahlung: WDR, 15.03.2017 / 
Komposition und Klangregie: Mouse on Mars (Andi Thoma und Jan St. Werner)/ Sprecher: Sprecher: Mark Waschke
 /Regie: Detlef Meissner
Redaktion: Hannah Georgi / Jan Buck