Sommertheater: eine Auswahl unserer Premieren von Juni bis August
Wir freuen uns über Sommer, Sonne (wenn sie sich zeigt) und Theater - hier...
Ur- und Erstaufführungen zum Spielzeitstart 2024/25
Die meisten Bühnen sind gerade in der Sommerpause, umso mehr fiebern wir...
Hans-Gratzer-Stipendium 2024/25 für Arad Dabiri
Arad Dabiri ist einer von fünf Stipendiat:innen des Hans-Gratzer-Stipendiums...
Wir trauern um Paul Mommertz
Paul Mommertz wurde 1930 in Aachen geboren und arbeitete als freier...
Stellenausschreibung: Assistenz Dramaturgie / Lektorat (w/m/d)
Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG ist der älteste deutsche Bühnenverlag. Wir...
Rückblick: "Ich, Antigone" von Anna Gschnitzer am Staatstheater Mainz
Am 28. Juni war die Uraufführung von Anna Gschnitzers Auftragswerk Ich,...
Streaming "Königinnen" von Thomas Zaufke und Henry Mason / Landestheater Linz
Mit der Derniere am 23. Juni endete am Landestheater Linz die komplett...
Mit 3 Tony Awards ausgezeichnet: "Appropriate" von Branden Jacob-Jenkins
Am 16. Juni wurden in New York die Tony Awards 2024 verliehen. Appropriate...
Uraufführung: "Firnis" von Philipp Löhle
Am 7. Juni war die Uraufführung des Auftragswerks Firnis von Philipp Löhle am...
Neu: "Häuslfrau" von Amir Gudarzi
Neu im Programm: Häuslfrau (Das Feuer steckt im Feuer) von Amir Gudarzi....
DSE: Hadrien Raccahs "Die Einladung" an der Komödie Frankfurt
Am 16. Mai feierte Die Einladung von Hadrien Raccah deutschprachige...
Aufnahme von Thomas Zaufkes und Henry Masons "Die Königinnen" veröffentlicht
Im Februar 2024 wurde das Musical Die Königinnen von Thomas Zaufke und Henry...
Drei Gastspiele bei den Autor:innentheatertagen
Wir freuen uns über drei Gastspiele bei den diesjährigen...
Herzlich willkommen, Yasmina Reza!
"Yasmina Reza spießt die Klischees auf, die Tics, die Gewissheiten. Sie...
UA: "Die Liebe auf Erden" von Anja Hilling am Landestheater Altenburg
Am 25. Mai wird Die Liebe auf Erden von Anja Hilling am Theater Altenburg...
Dürrenmatt, Friedrich |
Friedrich Dürrenmatt zählt mit seinen nahezu 30 Stücken zu den bedeutendsten Schweizer
Dramatikern des 20. Jahrhunderts. Vor allem in den 50er und 60er Jahren
feierte er mit Stücken wie Der Besuch der alten Dame oder Die Physiker
Triumphe. Daneben entstanden zahlreiche theatertheoretische Schriften
und ein beachtliches erzählerisches, häufig in Justiz- und
Kriminalmilieu angesiedeltes Werk.
Der als Sohn eines protestantischen Pfarrers 1921 in
Konolfingen bei Bern geborene Dürrenmatt studierte zunächst
Germanistik, Philosophie und Naturwissenschaften und wollte Maler
werden ehe er sich 1945 endgültig dem Schreiben zuwandte. Interesse für
aktuelle gesellschaftspolitische Fragen wie die
Wirtschaftswundermentalität oder das atomare Wettrüsten prägte sein
Werk trotz mythologischer und historischer Stoffe bis ins hohe Alter,
wobei ihn seine pessimistische Weltsicht an der Veränderbarkeit der
Verhältnisse eher zweifeln ließ. So bleibt seines Erachtens nach nur
die Komödie mit all ihren Zufälligkeiten und Verzerrungen die einzig
vertretbare Form der Darstellung einer undurchschaubaren Welt, in der
das Individuum seine Machtlosigkeit erlebt.
Nachdem zwischen 1952 und 1962 seine wichtigsten Dramen
entstanden waren, war Dürrenmatt danach als Regisseur und
Direktionsmitglied am Basler Theater (1967 – '69) und als Berater des
Zürcher Schauspielhauses (1970 – '72) tätig und bearbeitete Stücke u.a.
von Shakespeare, Lessing, Büchner und Strindberg.
Ende der 80er Jahre zog sich Dürrenmatt nach heftiger kulturpolitischer Polemik vom Theater zurück.
Wenige Jahre später starb er am 14. Dezember 1990 in Neuenburg.
Komödie in zwei Akten
1D, 15H
UA: 06.10.1983, Schauspielhaus Zürich
Achterloo, Dürrenmatts letztes dramatisches Werk, nannte er selbst einen Versuch, ein Fazit aus seiner Theaterarbeit zu ziehen, eine Art "Endspiel seiner Dramaturgie". Dafür verwendet Dürrenmatt seine Grundmetapher aus Die Physiker: die Welt als Irrenhaus. Schauplatz ist sodann ein Irrenhaus namens "Achterloo", "irgendwo bei Waterloo", dessen Insassen ein Rollentherapiestück spielen. Als historischen Hintergrund dafür setzt Dürrenmatt die Verhängung des Kriegsrechts durch Staatschef General Jaruzelski 1981 in Polen. Jaruzelski wollte damit den wachsenden Einfluss der Gewerkschaft Solidarność und deren geplante Massendemonstration verhindern wollte. "Jede Figur von heute hat ihre Entsprechung in der Geschichte", lautet Dürrematts These bei diesem Werk, als Jaruzelski tritt Napoleon auf, Arbeiterführer ist der Ketzer Jan Hus, der Napoleon-Jaruzelski dann zur Verhängung des Kriegsrechts zwingt. Als amerikanischer Gesandter erscheint Benjamin Franklin und Robespierre fungiert als sowjetischer Chefideologe auf Erkundungsbesuch. Letzterer erliegt allerdings einem Herzinfarkt, bevor er den sowjetischen Einmarsch anordnen kann. Karl Marx, in der Rolle des Kreml-Chefs, trifft es am Schlimmsten, er tritt in Mehrfachgestalt auf, wird von Marx 2 als "Spinner" geschimpft und von Marx 3 noch nicht mal gegrüßt, was ihn schlussfolgern lässt, er sei nicht spielbar. Seine Selbstdiagnose lautet: "haarsträubende Identitätskrise".
Dass das ganze Spektakel eine Rollenspieltherapie ist, erfährt der Zuschauer erst zum Schluss, wenn sich zwei der Mitwirkenden als Ärzte zu erkennen geben. Fundiertes geschichtliches Hintergrundwissen ist zum Verständnis der labyrinthischen Verwirrungen jedenfalls von Nöten, merkte Dürrenmatts zweite Ehefrau Charlotte Kerr an, gemeinsam mit ihr arbeitete Dürrenmatt das Stück in weitere Versionen um.
In Achterloo wird Ungleichzeitiges zu Gleichzeitigem, unaufhörlich wird zwischen Zeiten und Räumen umhergesprungen und die Bühne wird zum Schauplatz des assoziierenden Bewusstseins des Autors, ein Bruch mit jeglichen Theaterkonventionen. Doch nicht mit Dürrenmatts eigenen, denn indem er die Verrätselung der Welt auf die Spitze treibt, realisiert er auch hier seinen emanzipatorischen Anspruch, gesellschaftliche Prozesse durch groteske Verfremdung aufzudecken.