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Nominiert für den Deutschen Musical Theater Preis 2024!
Wir freuen uns über zahlreiche Nominierungen für den Deutschen Musical...

Neu bei FBE: "Andersens Erzählungen" (Bischoff/Dvořák/Stölzl)
Am Vorabend der Hochzeit seines Jugendfreundes Edvard Collin mit Henriette...

Ur- und Erstaufführungen zum Spielzeitstart 2024/25
Die meisten Bühnen sind gerade in der Sommerpause, umso mehr fiebern wir...

Sina Ahlers: Artist in Residence am Theater Bielefeld
Wir gratulieren Sina Ahlers! Ab August 2024 ist sie für zwei Jahre Artist...

Sommertheater: eine Auswahl unserer Premieren von Juni bis August
Wir freuen uns über Sommer, Sonne (wenn sie sich zeigt) und Theater - hier...

Hans-Gratzer-Stipendium 2024/25 für Arad Dabiri
Arad Dabiri ist einer von fünf Stipendiat:innen des Hans-Gratzer-Stipendiums...

Rückblick: "Ich, Antigone" von Anna Gschnitzer am Staatstheater Mainz
Am 28. Juni war die Uraufführung von Anna Gschnitzers Auftragswerk Ich,...

Streaming "Königinnen" von Thomas Zaufke und Henry Mason / Landestheater Linz
Mit der Derniere am 23. Juni endete am Landestheater Linz die komplett...

Mit 3 Tony Awards ausgezeichnet: "Appropriate" von Branden Jacob-Jenkins
Am 16. Juni wurden in New York die Tony Awards 2024 verliehen. Appropriate...

Uraufführung: "Firnis" von Philipp Löhle
Am 7. Juni war die Uraufführung des Auftragswerks Firnis von Philipp Löhle am...

Neu: "Häuslfrau" von Amir Gudarzi
Neu im Programm: Häuslfrau (Das Feuer steckt im Feuer) von Amir Gudarzi....

DSE: Hadrien Raccahs "Die Einladung" an der Komödie Frankfurt
Am 16. Mai feierte Die Einladung von Hadrien Raccah deutschprachige...

Aufnahme von Thomas Zaufkes und Henry Masons "Die Königinnen" veröffentlicht
Im Februar 2024 wurde das Musical Die Königinnen von Thomas Zaufke und Henry...

Drei Gastspiele bei den Autor:innentheatertagen
Wir freuen uns über drei Gastspiele bei den diesjährigen...

Herzlich willkommen, Yasmina Reza!
"Yasmina Reza spießt die Klischees auf, die Tics, die Gewissheiten. Sie...

UA: "Die Liebe auf Erden" von Anja Hilling am Landestheater Altenburg
Am 25. Mai wird Die Liebe auf Erden von Anja Hilling am Theater Altenburg...


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Bild von Paul ClaudelClaudel, Paul

Charles-Louis Philippe stellt ihn an dichterischer Größe neben Dante, Stefan Zweig sieht in seinen Dramen Seelenzustände von so brennender Glut, dass alles Irdische, Kostüm und Zeit, in ihnen verflackert, und Eugène Ionesco verehrt ihn als den größten Dichter des 20. Jahrhunderts: Paul Claudel (1868 - 1955).

Claudel entstammt dem Bürgertum der Champagne. Nach seiner Schulausbildung in Paris studiert er Jura und Politik. Seine frühen dramatischen Anfänge sind beeinflusst von den Werken Arthur Rimbauds, seine späteren Werke geprägt durch seinen katholischen Glauben – einen sehr weit gefassten Glauben: "Katholisch heißt universal" (Claudel, 1953).

1893 erhält er seinen ersten diplomatischen Posten in New York. Eine Karriere als Botschafter und Konsul u.a. im Fernen Osten, den USA, Lateinamerika und Deutschland schließt sich an.

Seinen ersten Dramenerfolg hat Claudel mit dem Stück Mariä Verkündigung (UA 1912). Mittagswende (1905) zeigt erstmals seine zentrale Thematik, den Konflikt zwischen irdischer Liebe und göttlicher Berufung. Höhepunkt seines Schaffens ist das monumentale Werk Der seidene Schuh oder Das Schlimmste trifft nicht immer zu (UA 1943), ein Gesamtkunstwerk, das die Grenzen des Dramas sprengt.

Die letzten Jahre seines Lebens verbringt Claudel auf dem Schloss Brangues. Dort überarbeitet er frühere Werke und schreibt seine großen Bibelkommentare. 1955 stirbt Claudel im Alter von 86 Jahren in Paris.

Wie aktuell Paul Claudels Werk auf den Theaterbühnen noch immer ist, zeigte sich insbesondere in den letzten Jahren, in denen zahlreiche seiner Theaterstücke wieder aufgeführt wurden: So erhielt Der seidene Schuh am Theater Basel in einer Inszenierung von Stefan Bachmann von Publikum wie Kritik gleichsam positive Resonanz; erstmals war hier das Werk auch in der Neuübersetzung durch den Schweizer Autor Herbert Meier zu sehen. 2004 wurde Claudels Mittagswende an den Münchner Kammerspielen inszeniert; die Produktion wurde zum Berliner Theatertreffen 2005 als eine von zehn herausragenden Inszenierungen eingeladen.

Im Frühjahr 2007 inszeniert Stefan Bachmann am Maxim Gorki Theater Berlin die Claudel Trilogie, erstmals in der Neu-Übersetzung von Herbert Meier.

 

Mittagswende

(Partage de midi)
Drama in drei Akten
Neu-Übersetzung 2003
Neu-Übersetzung von Herbert Meier
Mitarbeit: Yvonne Meier-Haas
1D, 3H
UA: 16.12.1948, Thèâtre de Marigny Paris

Auf einer Schiffsreise nach China begegnen sich vier Menschen: der Sonderling Mesa, auf der Rückkehr zu diplomatischen Diensten nach einem vergeblichen Versuch, in den geistlichen Stand einzutreten; Amalric, Abenteurer und Lebemann; Ysé, die temperamentvolle und lebenshungrige Frau des französischen Geschäftsmannes De Ciz und Mutter von vier Kindern. Die Ehe der beiden ist nicht glücklich, und Amalric, dem sie schon früher einmal begegnet ist, wirbt unverhehlt um sie. Schließlich spielt er sie jedoch Mesa zu, der, bisher nie in Versuchung geführt, Ysé gegen alle Vernunft nicht widerstehen kann. Der Einbruch der Liebe in sein Leben erschüttert Mesa zutiefst. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung, in der das Anderssein der Partner Bedingung ist für das Einssein und es zugleich ausschließt. Wie sich bewahren, wenn man sich ganz hingibt, wie sich hingeben, wenn man sich bewahren will? Mesas Weg führt von der Verbitterung eines Menschen, der von Gott, den er ganz zu besitzen glaubte, abgewiesen wird, über die leidenschaftlichen Suche nach der Liebe, die sich nicht gedulden will, bis hin zu der Einsicht, dass seine Liebe zu Ysé zu seiner Liebe zu Gott wird und erst im Tod das Unmögliche erreichbar ist.

Um 1900 kehrt Claudel über Palästina aus China nach Frankreich zurück, in der festen Absicht, seine steile diplomatische Laufbahn abzubrechen und Priester zu werden. Sein Ansinnen wird jedoch abgewiesen, er ist zum Ordensstand nicht berufen – ein unerhörter Schlag für den radikalen Gläubigen. Aufgewühlt, zurückgestoßen begegnet er nun auf der Rückreise nach China der Frau, die hinter der zentralen Gestalt der Ysé steht. Sie entfacht in ihm das, was man als "Mystik des Fleisches" bezeichnen könnte: die Fortsetzung einer religiösen Krise in eine erotische, und die gegenseitige Durchdringung der beiden.

Mit Frömmelei hat Mittagswende nichts, mit radikaler Selbstbefragung alles zu tun: drei Männer und eine Frau, die sie alle drei verlässt, um zu zweien doch wieder zurückzukehren, zu einem, um mit ihm zu sterben. In drei Akten schildert Claudel das Geschehen: der erste auf der Überfahrt nach China, im sengenden Mittagslicht, auf der Trennlinie zwischen Afrika und Asien, vier Personen unentrinnbar ineinander verstrickt und gnadenlos ausgesetzt; der zweite auf einem Friedhof in Hongkong, eine Liebesszene von ungeheurer Radikalität; der dritte in einem verbarrikadierten Kolonialhaus in Südchina während des Boxeraufstandes: drei Extrem-, drei Grenzorte, aus denen es kein Entweichen gibt, es sei denn, das in den Tod. Das Religiöse an diesem Stück ist seine anarchische Emotionalität, die Unbedingtheit der bloßgelegten Beziehungen, die wie in einem Experiment vorgeführt werden, aber von einem Autor, der sich nicht aus der Sache heraushalten kann und der sich mit diesem Werk das Leben rettet.