Bild von Tom HollowayHolloway, Tom

Der australische Autor Tom Holloway, Jahrgang 1978, studierte an der University of Tasmania und am National Institute of Dramatic Art, Sydney, bevor er 2004 und 2006 an Schreibwerkstätten am Londoner Royal Court Theatre teilnahm und als Playwright in Residence am Red Stitch Theatre in Melbourne und zuletzt 2010 am Soho Theatre in London seine Arbeiten vorstellte.
Seinen ersten Theatererfolg feierte er 2004 beim Edinburgh Fringe Festival mit "The Bus", das 2006 von ABC Radio als Hörspiel produziert wurde. 2007 wurde sein Stück Fernab von jetzt zum Royal Court Theatre's International Young Playwrights' Festival nach London eingeladen. 2008 gewann er mit diesem Text den Australian Writers' Guild Award. Derzeit schreibt er an dem Libretto für "Make no noise", eine Oper von Miroslav Srnka, die 2011 an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wird.

 

Fernab von jetzt

Ein Quartett über Verlust und Gewalt
(Beyond the Neck: A Quartet on Loss and Violence)
Deutsch von Michael Raab
2D, 2H
UA: 12.09.2007, Peacock Theatre Hobart
frei zur DSE

Port Arthur, Tasmanien, 1996. Das Gelände eines ehemaligen Sträflingslagers aus dem 19. Jahrhundert, eine Touristenattraktion à la Alcatraz. Ein Massaker mit 35 Toten und 20 Verletzten an diesem Schreckensort. Tom Holloway, auf Tasmanien aufgewachsen, nimmt diese wahre Begebenheit und den nationalen Schock als Ausgangspunkt für einen ganz eigenen Zugriff, um Verlust und Trauer eines jeden einzelnen und einer Gemeinschaft nachzuspüren. Aus Interviews mit Überlebenden und Hinterbliebenen hat Holloway ein aufschlussreiches, bedrückendes und bis ins kleinste Element subtil verzahntes Quartett geschrieben: Vier individuelle Stimmen erzählen von ihrem Ausflug nach Port Arthur zehn Jahre nach dem Massaker.

Der 7-jährige Junge, damals noch nicht einmal geboren, trägt eine Ahnung des Schrecklichen und ein grausames Geheimnis in sich. Ohne wirklichen Bezug zu seinen Eltern, verbringt er seine Zeit mit Michael, einem imaginären, gefährlichen Freund. Das 17-jährige Mädchen, das seinen Vater bei dem Massaker verloren hat, muss sich auf Wunsch ihrer Mutter einer befreundeten Therapeutin öffnen. Dabei ist es stärker auf den vermeintlichen Täter fixiert als auf seinen verstorbenen Vater. Und alles wäre halb so schlimm, wenn die Mutter nicht seit dem Begräbnis mit Vaters bestem Freund zusammen wäre. Auf einer 28-jährigen Mutter und Ehefrau lastet ein unausgesprochenes Schicksal, sie ist fürsorglich zu Mann und Kind und hart sich selbst gegenüber. Der alte Mann mit seinen 75 Jahren, der das Massaker miterlebte, führt die Gruppe über das Gelände. Die historischen Fakten verschwimmen unterdessen mit seinem Trauma, das für ihn eins geworden ist mit diesem Ort.

Tom Holloway verwebt die Stimmen sprachlich und formal fein und dicht, mit hoher Musikalität und Klarheit zu einer Erinnerungslandschaft. Trauer, Schmerz, Bilder, Erinnerungen und Fantasien steigern sich, laufen auf einen Höhepunkt zu, werden am Ende erlöst. Fernab von jetzt sind die Traumatisierten zunächst, doch gemeinsam finden sie einen Weg die emotionale, zeitliche oder geografische Distanz zu ihrer Gegenwart zu überwinden. Ein Stück ganz ohne Pathos, dafür von ehrlicher, gewaltiger Wucht.