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Die lebenden Toten oder Monsters of Reality

(Living Dead eller Monsters of Reality)
von Christian Lollike
Mit Textfragmenten von Tanja Diers und Mads Madsen

Deutsch von Gabriele Haefs
3 Darsteller

UA: 24.05.2016, Ruhrfestspiele Recklinghausen (Koproduktion Ruhrfestspiele / Staatsschauspiel Dresden),

Eine hungernde, alles verschlingende Zombie-Armee steuert auf Europa zu, sie kommen übers Meer, sie kämpfen sich durch – bereit, alles an sich zu reißen. Die Untoten stört das kalte Wasser nicht, sie lassen sich von nichts aufhalten. Nicht von Seenot, nicht von Meerestieren, herzlosen Menschenschmugglern oder Frontex. Sie versuchen verzweifelt, Europäer zu werden, und sind bereit, alles dafür zu tun. Ein europäisches Filmteam plant einen Vampir-versus-Zombiefilm über die Invasion der EU. Doch wie schafft man es, das in der Realität stattfindende Grauen noch zu übertreffen? Und wie soll man Mitleid empfinden mit einer namenlosen Masse, einem anonymen Heer? Wie kann das berühren? Ein Einzelschicksal muss her, also erzählen sie die Geschichte von Franck. Er kommt aus Eritrea und befindet sich an Bord eines überfüllten Fischerbootes. Seine Flucht hat er lange geplant, sogar seine Fingerkuppen mit Kunststoff verschmolzen, damit er seine Fingerabdrücke verliert, seine Identität. Jetzt treibt er im Meer, klammert sich an eine Leiche und hört die Menschen schreien, jammern, er hört Stimmen, stundenlang. Der EU-Kommissar-Vorsitzende-Präsident ist ratlos. Der Flüchtlingsstrom wird nicht abnehmen, genauso wenig wie die Angst der europäischen Bevölkerung vor dem Fremden. Aber vielleicht lässt sich ja wenigstens ein Geschäft herausschlagen: Die Sicherheitsindustrie könnte aus der Angst profitieren – Xenofobia Business! So bleibt die Frage offen, wer hier eigentlich Zombie oder Vampir ist und wer wem das Blut aussaugt.

Christian Lollike hat für sein Stück Interviews mit den Geflüchteten, den Küstenwächtern, Mitarbeitern vom Roten Kreuz und Politikern geführt. Doch ein Dokudrama ist es nicht geworden, vielmehr versucht er, das Thema aus der realen Welt in eine Horrorfiktion herauszuheben, damit es uns eben doch ein Stück weit berühren kann. Lollike untersucht die Angst, die sich in der europäischen Bevölkerung immer mehr ausbreitet, aber auch die Angst der Flüchtenden, wenn sie ihre Heimat verlassen. Außerdem wirft er die Frage auf, wie wir uns gegenüber der Tragödie im Mittelmeer verhalten, bei der Tausende von Menschen die Küsten nicht lebend erreichen.