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Bella

von Georg Lichtenegger

1D, 1H

frei zur UA

"Früher haben sich die Mädchen im Alter zwischen zehn und zwölf vor allem dafür interessiert, wie man richtig küsst. Heute, nur knappe 20 Jahre später, lautet die meist gestellte Frage in dieser Altersgruppe: Wie kriege ich den perfekten Blow-Job hin?" (Jocelyne Robert, französische Sexologin)

Georg Lichtenegger beginnt sein Stück mit einer Aneinanderreihung von Zitaten, die er unbearbeitet realen Internetforen zum Thema "Beziehung, Liebe und Sex" entnimmt. Junge User berichten von ihren Erfahrungen. Einer von ihnen sucht nach einer Frau, die in der Öffentlichkeit geohrfeigt, erniedrigt und bespuckt werden will. Ein anderer würde gerne sein benutztes Kondom verschicken. Man spricht über Rollenspiele und Vorlieben beim Dreier. Eine Userin namens Bella berichtet im Forum davon, wie ihr Vater sie im Alter von fünf Jahren immer wieder sexuell missbraucht hat. Nun fühlt sie sich, obwohl sie einen festen Freund hat, der sie liebt, zu einem gewalttätigen Jungen hingezogen, der früher seine eigene Schwester sexuell nötigte. Jetzt vergreift er sich an Bella. Georg Lichtenegger führt Bellas grausame Geschichte fiktiv weiter und stellt ihr einen Psychiater an die Seite, der sich der seelischen Verkrüppelung des Mädchens annehmen soll. Bella wird zum Spielball zwischen den drei Männern, in deren Abhängigkeit sie sich begibt. Der Mann, der sie liebt, aber nur hilflos zusieht, der Mann, der sie schlägt und sexuell erniedrigt und der Therapeut, der Bella auch unter seine Gewalt zu bringen versucht. Sie schafft es nicht, auszubrechen – lässt sich unterdrücken und spielt die jeweilige Rolle, die von ihr erwartet wird. Dabei versucht der Therapeut an Bella das Experiment, sie nicht stark gegen ihren Vergewaltiger zu machen, sondern ihr den Widerstand zu nehmen, bis Bella irgendwann glaubt, was man ihr sagt: "Selbstbestimmung ist der Schlüssel zum Erfolg, ich will Sex wie er ihn ereignet und ich finde Gefallen an der Qual."

In Sachen sexueller Aufklärung sind schon lange nicht mehr die Eltern gefragt. Immer mehr Jugendliche versuchen über das Internet alles Wichtige herauszufinden, mit der "schönsten Nebensache der Welt" hat das allerdings oft wenig zu tun. Georg Lichtenegger wirft mit seinem dokumentar-fiktionalen Stück Bella einen Blick auf die Entwicklung des Internets als sexuelles Aufklärungsmedium, durch das Sex nicht mehr langsam entdeckt, sondern durch Pornofilme im Internet geradezu erlernt wird. Lichtenegger geht das Thema schonungslos an und wagt einen Blick in die Zukunft: Wohin führt uns diese Entwicklung? Was passiert, wenn die Grenzen zwischen Lust an devoten Spielen, gesellschaftlichem Drang dazu und tatsächlichen Vergewaltigungen allmählich verschwimmen?