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Abendland

(Occident)
von Rémi De Vos

Deutsch von Leyla-Claire Rabih und Frank Weigand
1D, 1H

frei zur DSE

Wo er gewesen sei, fragt die Frau jeden Abend, wenn ihr Mann aus der Kneipe nach Hause kommt. Sie erntet damit stets eine Reihe wüster Beschimpfungen, die mehr Provokation als Kontrollverlust sind und den allabendlichen Kampf einläuten. Rémi De Vos zeigt in seinem Stück ein Paar um die vierzig, das offensiv ist, wo andere verstummen, und das ihre gemeinsame Sprache zur Annäherung nutzt. Den hemmungslos rassistischen Äußerungen ihres alkoholabhängigen Mannes begegnet die Frau mit zynischer Verachtung. Trinkt er an dem einen Abend mit seinem arabischen Freund Mohamed im "Palace", steht er am nächsten Abend teilnahmslos daneben, wenn Mohamed zusammengeschlagen wird und stößt kurz darauf schon im "Flandres" mit den Nationalisten an. Als Feigling bezichtigt die Frau ihn und nimmt ihn ins Kreuzverhör, ihr ständiger Kampf richtet sich gegen seine Gleichgültigkeit und diejenige der gesamten westlichen Gesellschaft.

Ironisch überzeichnet steuert das Wortgefecht zielsicher ins humorvoll Absurde. Während der Mann sie arrogant und lapidar zur Weißglut treibt, wirft sie ihm Impotenz vor. Zahlreiche Bewohner der Asylunterkunft würden mit ihr das tun, wozu er nicht im Stande sei, wirft sie ihm an den Kopf. Dass mitten im Gefecht auch einmal die Idee im Raum steht, gemeinsam ans Meer zu fahren, ist keine unerwartete Wendung, denn darauf folgt, wie könnte es anders sein, sofort die Todesdrohung.

Die Tücken des privat heraufbeschworenen Elends werden in Abendland raffiniert und wortgewaltig in den Kontext gegenwärtiger Gesellschaftsphänomene gestellt.