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Am Ende

(Nine Day Wonder)
von Stephen Temperley

Deutsch von Lida Winiewicz
1H

frei zur UA

Der historische Will Kemp war in William Shakespeares frühen Produktionen ein überaus populärer Tänzer und Narr, schied aber, wahrscheinlich im Streit, im Jahr 1599 aus der Truppe aus. Im Frühjahr des Jahres 1600 legte er tanzend die Strecke zwischen Norwich und London in neun Tagen zurück, damals ein Großereignis, das ihm aber den gewünschten Effekt, die künstlerische Rehabilitierung, nicht einbrachte.

Will Grant, Lehrer und Shakespeare-Experte, wohnhaft in 666 Greenwich, hat einen Infarkt erlitten und schlüpft, in der letzten Stunde seines Lebens, in die Rolle seines Namensvetters Will Kemp. Dieser macht sich jetzt mitsamt seiner unerhörten Wut im Bewusstsein des Sterbenden breit.
Gekränkt und gedemütigt über den Rauswurf aus der Truppe schimpft Will Kemp auf Meister Shakespeare und dessen unzulängliches Talent. Um sich abzulenken von der Schmach, nicht länger gefragt zu sein und um sich in dieser Krise des eigenen Könnens zu vergewissern, geht er sein größenwahnsinniges Projekt an, eine nie dagewesene tänzerische Verausgabung, einen Tanz nach London. Er redet, tanzt und singt sich um Kopf und Kragen, voller Galgenhumor und mit wachsendem Furor, denn: Statt voranzukommen, entfernt er sich jeden Tag ein Stück weiter von seinem Ziel. Will Grant und Will Kemp, beide Personen und ihre Lebenswelten verschmelzen in ihrer tragikomischen Abschiedsvorstellung zu einer universellen Figur, die noch einmal alles gibt, während die Lichter langsam ausgehen.

Am Ende ist ein furioser Monolog voller Esprit und Leidenschaft, gespickt mit literarischen und musikalischen Zitaten, ein tragikomisches und hintergründiges Werk, bei dessen Umsetzung ein Schauspieler alle Register der Bühnenkunst ziehen darf. Der schmale Grat zwischen Ehrgeiz und Versagen, Kränkung, Abschiedsschmerz – das sind die universellen Themen, die Temperley gewohnt souverän präsentiert.