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Baufehler oder Die Bedeutung von Garten, Blumen, Sonne, Sommer und Liebe für Menschen und Leute

(Erreur de construction ou De l’importance du jardin, des fleurs, du soleil, de l’été et de l’amour pour l’humanité et les gens)
von Jean-Luc Lagarce

Deutsch von Marlene Nagel
3D, 2H

UA: 16.05.1977, Atelier du Marché, Besançon
frei zur DSE

Was macht man in einer Welt, in der sich Kriege wiederholen wie die Lebensläufe der in ihnen Sterbenden? In der die eigenen Kinder eine Revolution anzetteln, von der man selbst gefressen wird? Man stirbt aus Gram, Trauer oder Scham, wie Eda Tristesse, die dem Anführer von Lagarces fiktiver Revolution das Leben geschenkt hat und der nun sein Vaterland in Gefahr bringt. Oder man baut sich ein blumenumzäuntes Refugium, wie Louise Scheurer, Sophie Notior und Auguste Herut, vor dem sich die speckigen Flugblätter und Wachposten der Revolution stapeln, und verkündet munter, das Leben gehe weiter, die Duschen würden benutzt, obwohl das Wasser längst abgedreht ist und die Lebensmittelpreise inflationieren, in der Hoffnung, dass das Gras unter dem Stiefeltrampeln weiterwächst …

Jean-Luc Lagarce begibt sich mit dem Theaterstück Baufehler auf ein Experiment, eine Versuchsanordnung der Fiktion. Er lässt seine Figuren spielen, erzählen, ihren Rollen entwachsen und so eine Geschichte bauen - voller Fehler, misst man sie an der Logik rational erklärbarer Realität. Er enthebelt die psychologische Handlungslogik und verweigert so ein erklärbares Abbild der Welt, weil die Welt selbst für ihn eben genauso absurd ist. Wo liegt also der Baufehler? In der erfundenen oder der echten Welt? Largarces Suche danach ist ein poetisches und mit sich wiederholenden Sprachsätzen komponiertes Text-Da capo, das in einer faszinierenden Leichtigkeit und mit erfrischend unverkopftem Augenzwinkern ein herzliches Appell an die Menschlichkeit und den Frieden ist. Er setzt einer absurd gewordenen Welt humorvoll ihre eigene Absurdität entgegen und sucht seine Revolution im Umwälzen von Handlungs-, Dialog- und Sprachmustern. Um am Ende seines liebevoll erzählten Geschichten- und Biographienpotpourris sein Publikum lakonisch nüchtern mit den Worten zu entlassen: „Wenn Sie noch nicht schlafen ist es nun an der Zeit, Ihnen mitzuteilen, dass dies alles reine Fiktion ist. Natürlich.“