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Mama und ich und Männer

(Mamma og meg og menn)
von Arne Lygre

Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
3D, 3H, reduzierbar auf 2D, 1H

UA: 23.05.1998, Rogaland Teater, Stavanger
DSE: 01.07.2007, Badisches Staatstheater, Karlsruhe

Der Kuppenhof ist ein kleiner Bauernhof ganz am Ende eines schmalen Fjordarms. Einmal in der Woche kommt das Postboot, ansonsten ist man allein mit dem Blick auf die Berge, das Wasser und den Anlaufsteg. Gudrun hat fast ihr ganzes Leben hier verbracht, als Sigurd sie heiratet. Pläne hat er, Lust anzupacken, den Spaten in die Erde zu stoßen, den Hof zu bestellen, seinen und ihren. Eine Tochter, Liv, folgt alsbald. Doch das Glück ist von kurzer Dauer: Sigurd wird das Leben zu eng, er fängt an zu trinken und verbringt seine Wochenenden lieber in der Stadt als mit Frau und Kind. Eines Tages verlässt er die beiden, um sein Glück in Amerika zu finden.

Die Briefe, die er schickt, wecken Sehnsüchte in seiner Tochter. Sie bleibt jedoch bei der Mutter, die bald darauf einem Krebsleiden erliegt. Allein geblieben, heiratet Liv den jungen Pfarrer Sigurd. Der frischgebackene Ehemann ist voller Begeisterung für den Ort und seine Frau, nur mit den Gefühlen der beiden stimmt was nicht. Immerhin, sie bekommen eine Tochter, Gudrun. Der Vater versucht das Mädchen auf seine Seite zu ziehen, als Kompensation und als Strafe für Livs abweisende Haltung. Bei einem Autounfall stirbt Sigurd, Gudrun überlebt leicht verkrüppelt. Sobald sie herangewachsen ist, lässt Liv die Tochter zurück, um ihrem Vater nach Amerika hinterher zu reisen. Sie trifft ihn auch, allerdings erst nach zehn Jahren. Kurz nach ihrer Begegnung stirbt er und hinterlässt ihr – vor neuer Frau und Kindern geheim gehalten – einen Großteil seines Vermögens.

Liv kehrt zurück nach Norwegen, lebt aber nicht zu Hause, sondern in der nahen Stadt, ohne es Gudrun wissen zu lassen. Beide stellen sich vor, wie es wäre, der anderen zu begegnen. Die Szenen zeigen Bilder ihrer gedachten Dialoge, visualisieren die Gedanken, die sie einander nicht mitteilen können. Liv erkrankt an Krebs und stirbt, allein. Allein ist auch Gudrun, die an ihrer unerfüllten Liebe verzweifelt. Außer einem ergebnislosen Versuch, den Postmann zu verführen, ist sie in ihrem Leben niemandem begegnet, der ihre Sehnsüchte erfüllen kann. Als Sigurd, ein junger Mann auf der Flucht vor der Polizei, auf Gudruns Hof gelangt, gelingt es ihr, ihn als Gefangenen ihrer eingebildeten Liebe festzuhalten. Ans Bett gefesselt ist er ihr Opfer, Liebhaber und Trost. Sie wird schwanger, erleidet eine Fehlgeburt und verblutet vor den Augen des hilflosen Sigurd. Seine Hilferufe verhallen ganz am Ende eines schmalen Fjordarms.

Männer und Frauen machen einander nicht glücklich. Arne Lygre treibt in seinem Stück das altbekannte Thema durch die ewige Wiederkehr des Gleichen – verkörpert durch die Namensgleichheit der drei Generationen – auf die Spitze. Die Menschen hier sind auf sich allein gestellt; wer seine Träume verwirklichen will, muss fortgehen. Allein schon zu träumen, bedeutet Verrat dem anderen gegenüber. Eine Situation, in der Eifersüchte, Missverständnisse, Unverstehen blühen müssen und die der Autor in raschen Zeitsprüngen und "geträumten" Dialogen auf die Bühne bringt. Die Handlung beginnt 1943 und endet einige Jahre nach dem Jahrtausendwechsel. Die Schnitte von einer Szene zur nächsten sind Zeitsprünge; manchmal umfassen sie einige Minuten, manchmal Jahre. Die Monologe sind Schnittstellen, in denen die Figuren innehalten und sich aus einer gewissen Distanz betrachten. Ein Stück, das menschlich anrührt und gleichzeitig keinen Zweifel aufkommen lässt, dass es sich um eine bloße Versuchsanordnung handelt.